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Edition Emder Wall
Aus Anlass des 400. Wall-Geburtstags 2016 hat sich der Moormerländer Maler und Graphiker Herbert Buß auf eine künstlerische Spurensuche begeben und die Momentaufnahmen seiner Ortsbegehung in einer fünfteiligen Radiermappe zusammengefasst.




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Entlang der Zackengestalt – Lichte Impressionen
Zwei Jahre bevor die grausame Krake des Dreißigjährigen Krieges ihre Arme über ganz Europa auszustrecken begann, vollendeten die Emder ihren grünen Verteidigungswall. Die alte Seehafen- stadt im Nordwesten Deutschlands war seit langem ein Zufluchts
ort für Menschen fast jeglicher Konfession und ein belebter und wichtiger Handelsplatz, den es zu schützen galt. Der städtische Baumeister Gerhart Evert Pilooth hatte um 1606 mit dem Bau-
projekt begonnen und wurde späterhin vom niederländischen Festungsbaumeister Johan van Valckenburgh unterstützt. Der gesamte damalige Stadtbereich sollte umschlossen und gesichert werden in einer sternförmigen Wehranlage, wie sie auch in den benachbarten Niederlanden in dem kleinen Grenzort Bourtange bis heute modellhaft erhalten geblieben ist.

Um eine Eroberung des Walls zu erschweren, hatte man vor der Verteidigungslinie einen breiten Graben angelegt, gespeist aus der vorbeifließenden Ems und der Festungsring wurde wie alte Stadtkarten und Stiche dokumentieren mit elf Zwingern ausge-stattet, auf denen Kanonen thronten. Auf den Anhöhen der Zwinger gab es außerdem Windmühlen, von denen bis heute nur ein paar erhalten geblieben sind so wie die Mühle „De Vrouw Johanna“ von 1804 auf dem Marienwehrster Zwinger. Auch die verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges ließen den völlig funktionslos gewordenen Wall nicht müde werden. In den 1970er Jahren des 20. Jahrhunderts geriet der Naherholungs-
wert der legendären Befestigungsanlage immer mehr in den Blick und so wurden zusätzliche Spazierwege angelegt und oft genutzt.

In unseren Tagen hat sich der Moormerländer Maler und Graphi-
ker Herbert Buß – aus Anlass des 400. Wall-Geburtstags 2016 – auf eine künstlerische Spurensuche begeben und die Moment-
aufnahmen seiner Ortsbegehung in einer fünfteiligen Radier-
mappe zusammengefasst. Die dabei entstandenen Aquatinten sind von einer besonders kristallinen Gestalt und wirken in den Ansichten der „Boltentorbrücke“ zugleich zart und ungewöhnlich fragil. Buß bezieht sich auf den heutigen Wall und zeigt Motive, die – wie der Wasserturm, der Chinesentempel oder die Johanna Mühle – markante Sicht- und Ankerpunkte an der ehemaligen Wehrlinie darstellen. Den hügelartigen Wehrbau selbst spart er bewusst aus; in seinen feingliedrigen Radierungen befindet sich der Betrachter nur in zwei Blättern – zum einen neben dem stolzen Galerieholländer, zum anderen inmitten einer entlaubten Allee – direkt auf der Wallspitze. Geschickt nutzt der Künstler die laubfreie Jahreszeit und schafft dadurch nicht nur eine perspek-
tivisches Davor und Dahinter, sondern erzeugt aus Stämmen und Ästen auch ein reizvolles All-over, das an die Baumreihen Piet Mondrians (etwa „Grauer Baum“, 1912) oder die ästhetische Vergitterung in Alleelandschaften Claude Monets denken lässt. Interessant ist zudem, wie er die horizontale Bildmitte immer wieder virtuos für die Präsentation der gezeigten Bauwerke kompositorisch wirksam macht. Dass der Künstler seine Platten wieder und wieder bearbeitet und der Ätzflüssigkeit aussetzt, verleiht seinen Blättern einen eher unüblichen malerischen Ausdruck. Hinzu kommt die Distanz, die der Künstler zu seinen Bildmotiven wahrt und die im Zusammenwirken mit dem malerischen Charakter und der winterlichen Bildstimmung der Werkgruppe einen poetischen und zugleich melancholischen Ton anschlägt. Das Licht der Arbeiten wirkt hierdurch zeitlos und Weltoffenheit tritt wieder vor die alte Wehrhaftigkeit.

Dr. Lübbert R. Haneborger
Wasserturm
Impressionen
Boltentorbrücke mit Chinesentempel
Boltentorbrücke
Johanna Mühle